OT: En duva satt på en gren och funderade på tillvaron
Schweden/Norwegen/Frankreich/Deutschland 2014
Buch und Regie: Roy Andersson
Darsteller: Holger Andersson, Nils Westblom, Charlotta Larsson, Viktor Gyllenberg, Lotti Törnros
Kamera: István Borbás, Gergely Pálos
Das fängt ja gut an: mit drei Begegnungen mit dem Tod nämlich. Das soll eine Komödie sein? Nun ja, in Roy Anderssons Universum schon. Die drei ersten Episoden sind tatsächlich sehr komisch. Was nicht in Gänze für den Rest des Films gilt. Schließlich steht ja schon im Vorspann: „Letzter Teil einer Trilogie über das Menschsein.“ Komik als reine Unterhaltung ist Anderssons Sache nicht. Eher Komik, die zu Reflektion und Erkenntnisgewinn einlädt. Existenzialistischer Humor also. Typisch skandinavisch, klar. Aber keine Sorge, es gibt auch wirklich was zu Lachen, und sei es über die zuweilen traurige Sinnlosigkeit des Alltags.
Traurig sind zwei Gestalten auf jeden Fall, die in „Eine Taube…“ immer wieder durchs Bild stolpern. Der weinerliche Jonathan (Holger Andersson) und der herrische Sam (Nils Westblom) sind zwei erfolglose Handelsvertreter, die den Menschen mit Vampirzähnen und einem Pupskissen Freude bringen möchten. Allerdings werden sie ihre Waren entweder nicht los, oder die Kunden zahlen nicht. Zu ihnen gesellen sich viele andere Gestalten: Eine Tanzlehrerin ist hoffnungslos in einen ihrer Schüler verliebt, ein alter Mann in der Kneipe klagt über seine Einsamkeit, und König Karl VII. bestellt sich, bevor er in die Schlacht zieht, noch schnell in einer Vorstadtkneipe ein Wasser.
Die einzelnen Episoden unterscheiden sich in Tonalität, Aufwand und Länge. Sie reichen von kurzen, sketchartigen Miniaturen bis zu – wie in den Szenen mit Karl VII – aufwändig choreografierten Massenaufmärschen. Der typische Andersson-Stil aber ist ihnen allen gleich: die Kamera ist starr, die Einstellungsgröße immer eine Totale mit großer Tiefenschärfe, und Andersson schneidet nie. Es sei denn, um zur nächsten Szene zu gelangen.
„Eine Taube…“ drehte er erstmals digital, und er ist, wie er in einem Interview sagte, begeistert von der neuen Technik. Allerdings nur, weil er so die Tiefenschärfe, die ihm sehr wichtig ist, optimal kontrollieren kann. In Roy Anderssons Filmen ist die Einstellung das Universum, in ihnen läuft das Leben ab. Herkömmliche Montage braucht er nicht, um seine Geschichten zu erzählen. Obwohl die Bilder mit ihrer aseptischen Künstlichkeit und ihren Grautönen – sogar die Gesichter der Schauspieler sind grau geschminkt – recht schmucklos wirken, kondensieren in ihnen vielfältige Einflüsse aus der bildenden Kunst. Die Bilder Edward Hopper sind eine augenfällige Inspiration, aber Anderssons nennt zum Beispiel auch Bruegel den Älteren als Quelle. Auf sein Bild „Die Jäger im Schnee“ geht der seltsame Titel zurück.
Die Trivialität des Alltags und die hohe Kunst – beides verschmilzt in Roy Anderssons Film zu einem melancholischen und trotz aller Tristesse und Trauer hoffnungsvollen Blick auf das Leben. Beides macht auch seine stilistische Qualität aus: selten hat große Kunst so einfach ausgesehen.
Oliver Kaever
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