Vom 25.-31.10.2012 im KinderKino im Gloria-Kino
Frankreich 2011
Regie: Céline Sciamma
Buch: Céline Sciamma
Darsteller: Zoé Héran, Malonn Lévana, Jeanne Disson, Sophie Cattani, Mathieu Demy
Filmlänge: 82 Minuten
Subtil inszenierte Coming-of-Age- und Gender-Story über ein zehnjähriges Mädchen, das ein Junge sein möchte.
Tomboy nennt man jungenhaft wirkende Mädchen. Und so eines ist die zehnjährige Laure. Mit ihren Eltern und der sechsjährigen Schwester ist sie gerade umgezogen und wird bei ihrem ersten Ausflug in die fremde Umgebung von der gleichaltrigen Lisa für einen Jungen gehalten. Flugs stellt sie sich als Michael vor, der bald super Fußball spielt, sich prügelt und es auch sportlich den "Geschlechtsgenossen" zeigt. Als sich Lisa in Michael verliebt, wird es etwas kompliziert, aber erst als sich eine Frau bei Laures Mutter beschwert, ihr unerzogener Sohn habe ihren braven Filius verhauen, kommt die Lüge ans Licht und das Spiel mit der doppelten Identität endet.
Dem zweiten Spielfilm von Céline Sciamma ("Wasserlilien") sieht man die kurze Drehzeit von 20 Tagen und das Budget von 500.000 Euro nicht an und schon mal gar nicht, dass sie das Drehbuch in drei Wochen schrieb. Ihre Philosophie hieß, nicht lange auf Finanzierung warten, sondern das Projekt schnell und radikal angehen. Trotz der Minimalkosten wirkt der Film nicht billig, sondern sehr genau konzipiert, auch visuell. Statt mit einer gängigen Kamera wurde mit der Canon Fotokamera 7D gedreht, eine ästhetische Entscheidung. Die Umsetzung des komplexen Themas steht und fällt mit der Besetzung und die ist perfekt. Die junge Zoé Heran überzeugt als Junge wie als Mädchen, bringt kindliche Verletzlichkeit, Gender-Unsicherheit und eine große Zärtlichkeit mit, auf ihrem feinen, aber prägnanten Gesicht spiegeln sich die Empfindungen von Angst und Zweifel bis hin zu Stolz und Glück. Und wenn sie beim Schwimmen im See etwas Knetmasse an der richtigen Stelle in der Badehose platziert, blitzt kindlicher Einfallsreichtum auf. Es gibt keine pädagogische Erklärung des Verhaltens, keine didaktischen Kniffe zur Lösung eines irgendwie gearteten Gender-Problems und schon mal gar keine Spur von Voyeurismus bei Nacktszenen. "Tomboy", konsequent aus Kindersicht erzählt, beeindruckt durch zarte Momente und die subtile Annäherung an eine Heldin mit Respekt und Liebe. Die eindrucksvolle Coming-of-Age-Story über gesellschaftliche Normen überlässt es dem Zuschauer, sich über die "Normalität" von Geschlechterrollen Gedanken zu machen. mk.www.kino.de
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