OT: A Dangerous Method
UK/F/D/KAN/CH 2011
Regie: David Cronenberg
Drehbuch: Christopher Hampton, nach seinem Theaterstück „The Talking Cure“
Darsteller. Michael Fassbender, Viggo Mortensen, Keira Knightley, Vincent Cassel, Sarah Gadon
Laufzeit: 99 Minuten
Kinostart: 10.11.2011
„Eine dunkle Begierde“ heißt der Film, den Kanadas Meister-Regisseur David Cronenberg über Freud und noch etwas mehr über Jung gedreht hat. Als Bindeglied zwischen diesen beiden mutigen Männern dient – wie sollte es anders sein – eine Frau. Die junge Russin Sabina Spielrein (im Film dargestellt von Keira Knightley) kommt im Jahr 1904 in Jungs Klinik, wo sie von ihm wegen ihrer Hysterie und ihren Angstzuständen behandelt werden soll. Jung entscheidet sich, Freuds Erkenntnisse anzuwenden und es mit einer für die damaligen Zeit neuen Form der Gesprächstherapie zu versuchen. Wenig später wird Sabina seine Geliebte und schließlich sogar Freuds Schülerin. Sie entschließt sich, selbst Medizin zu studieren und eine wissenschaftliche Karriere als Analytikerin einzuschlagen.
Basierend auf seinem eigenen Theaterstück „The Talking Cure“ adaptierte Autor Christopher Hampton („Abbitte“) das nicht allein aus historischer Sicht aufregende Dreiecksverhältnis zwischen Jung, Freud und Spielrein. Jung, der hier von Michael Fassbender mit großer Eleganz und auch einer gewissen Leichtigkeit verkörpert wird, ist Protestant und schon deshalb kulturell anders als Freud geprägt. Während dieser in der Metropole Wien praktiziert und sich eine Entourage aus meist jüdischen Analytikern zugelegt hat, erprobt Jung als Einzelkämpfer in den Schweizer Bergen und in einer Thomas Manns „Der Zauberberg“ nicht unähnlichen Szenerie Freuds revolutionäre Therapieansätze. Wie schon in „Das weiße Band“ schimmern dabei am Horizont immer wieder die dunklen Vorboten des Ersten und Zweiten Weltkriegs durch. Einmal erzählt Jung von einem Meer aus Blut, das sich als Bild in seinen Träumen zeigte, ein anderes Mal kommt Freud gegenüber Jung auf den seinerzeit weit verbreiteten Antisemitismus zu sprechen. Es ist ein Problem, dessen sich Freuds Schüler überhaupt nicht bewusst ist. Auch das sagt auf seine Art viel über den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts.
Elegant und mit einem besonderen Blick für Details von Cronenbergs Stamm-Kameramann Peter Suschitzky bebildert, lässt „Eine dunkle Begierde“ die Stimmung und Atmosphäre jener Zeit überzeugend auferstehen. Sieht man von wenigen, als Kulissenhintergrund eingesetzten Computereffekten einmal ab, bietet der Film nahezu perfektes Ausstattungskino. Jede Apparatur, jedes Werkzeug scheint ein echtes Museumsstück zu sein. Dazu erforscht und seziert Cronenberg einmal mehr seelische Abgründe. Die Rückführung jedes Verhaltens auf ein rein sexuelles Motiv, das ist analog zu Freuds Theorien auch in vielen Filmen des Kanadiers das bestimmende Thema. Die menschliche Lust als mitunter auch zerstörerischer Antrieb aller Dinge. Freud und Cronenberg hätten sich vermutlich viel zu erzählen. programmkino.de
Ausgezeichnet mit dem FBW-Prädikat: Besonders wertvoll
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